
Heidelberger Elterntraining
Wissenschaftliche Evaluation und Publikationen

Das Heidelberger Elterntraining wirkt
Das Heidelberger Elterntraining zur frühen Sprachförderung (HET Late Talker) wurde von 2004 bis 2019 in einer wissenschaftlichen Längsschnittstudie evaluiert.
Kinder, deren Eltern die Schulung zu sprachförderlichem Verhalten besucht hatten, entwickelten sich von Anfang an besser als die Kinder, bei denen bis zum dritten Geburtstag keine Intervention stattfand, also wie in der Praxis üblich „abgewartet“ wurde.
Mit drei Jahren hatten 75 % der Kinder der HET Gruppe den sprachlichen Rückstand aufgeholt, im Vergleich zu 44 % der Kinder ohne geschulte Eltern.
Auch im Vorschul- und im Schulalter schnitten die Kinder der HET Gruppe in Wortschatz- und Grammatiktests sowie im auditiven Gedächtnis besser ab als die Kinder der nicht geschulten Eltern.
Heidelberger Längsschnittstudie –Randomisiert-kontrollierte Evaluationsstudie
In Kooperation mit den niedergelassenen Fachärzt*innen für Kinder- und Jugendmedizin der Rhein-Neckar-Region wurde 2004 bis 2006 eine Gruppe von zweijährigen sprachentwicklungsverzögerten Kindern (Late Talker) und eine sprachlich altersgemäß entwickelte Vergleichsgruppe rekrutiert.

Schwerpunkt der Längsschnittstudie war es, den Entwicklungsverlauf von Late Talkern zu beobachten und das Heidelberger Elterntraining auf Effektivität zu überprüfen.
Hierzu wurden die Kinder zu mehreren Zeitpunkten bis in das Jugendalter hinein nachuntersucht und die sprachlichen und schriftsprachlichen Fähigkeiten geprüft.
Stichprobenauswahl und Randomisierung
Die Rekrutierung der Kinder erfolgte mittels Wortschatzfragebogen (ELFRA-2) im Alter von 21 bis 24 Monaten. Nach erfolgter ausführlicher differenzialdiagnostischer Untersuchung wurden nur diejenigen Kinder in die Studie aufgenommen, bei denen eine isolierte Verzögerung in der Sprachentwicklung vorlag. Es erfolgte eine randomisierte Zuteilung zur Trainingsgruppe (HET) und Wartegruppe.
Intervention
HET Gruppe: Die Mütter nahmen im dritten Lebensjahr des Kindes am HET teil. Sie besuchten 6 Sitzungen von je 120 bis 135 Minuten sowie einen Nachschulungstermin nach einem halben Jahr.
Wartegruppe: Bis zum dritten Geburtstag erhielten die Kinder keine spezifische Förderung oder Therapie.
Mit drei Jahren erhielten alle Kinder mit Sprachauffälligkeiten eine individuelle Logopädie, unabhängig von der Gruppenzugehörigkeit.
Diagnostik und Messinstrumente
Prätest mit 2 Jahren
Zu Beginn wurden sowohl die rezeptiven als auch expressiven sprachlichen Fähigkeiten der Kinder mithilfe standardisierter Tests (Sprachentwicklungstest SETK-2) erfasst. Weitere diagnostische Maßnahmen umfassten eine pädaudiologische und neuropäädiatrische Untersuchung, eine allgemeine und kognitive Entwicklungsbeurteilung (Bayley Scales) sowie eine Einschätzung des Verhaltens.
Posttest mit 2,5 Jahren
Es wurden die sprachlichen Fähigkeiten bewertet, um die unmittelbare Wirksamkeit des Trainings zu untersuchen.
Follow-up mit 3 Jahren
Es wurden die sprachlichen Fähigkeiten untersucht und die Rate der Kinder bestimmt, die den sprachlichen Rückstand aufgeholt haben bzw. weiterhin sprachlich auffällig sind oder sogar eine Sprachentwicklungsstörung ausgebildet haben.
Follow-ups
Weitere Erhebungen erfolgten im Alter von 4 Jahren sowie im Einschulungs- und im Schulalter.
Das Design ermöglichte eine Analyse der kurz-, mittel- und langfristigen Effekte des HET.
Posttest und Follow-ups wurden von in der Testdiagnostik erfahrenen Personen durchgeführt, die weder die Gruppenzugehörigkeit noch die bisherigen Testergebnisse der Kinder kannten.
Kurz- und mittelfristige Wirksamkeit des HET
Posttest-Vergleich
Die HET Gruppe wies signifikante Fortschritte im produktiven Wortschatz und in der Grammatik auf. Kinder der HET Gruppe erreichten im Mittel höhere Werte in Wort- und Satzproduktionstests (SETK-2) und hatten bereits Fortschritte im Aufbau grammatischer Strukturen gezeigt. Kinder der Wartegruppe zeigten hingegen nur minimale Verbesserungen und blieben in der Sprachproduktion deutlich zurück.
Follow-ups im Alter von 3 und 4 Jahren
75 % der Late Talker aus der HET Gruppe konnten ihren Rückstand bis zum dritten Geburtstag aufholen. Dem gegenüber standen 44 % Spontanaufholer in der Wartegruppe (Buschmann et al., 2009). Die Teilnahme am HET ist ein zentraler Prädiktor für ein Aufholen bis zum dritten Geburtstag (Buschmann & Neubauer, 2012).
In der Nachuntersuchung mit 4 Jahren zeigte sich ein ähnliches Bild (Buschmann et al., 2015). Die Kinder der HET Gruppe zeigten in sprachlichen Aufgaben und in Aufgaben zum auditiven Gedächtnis bessere Leistungen als die Kinder der Wartegruppe, welche mehrheitlich unterdurchschnittlich blieben.
Follow-ups im Vorschulalter und am Ende der zweiten Klasse
Die Auswertungen der Längschnittdaten bis ins Grundschulalter hinein zeigen, dass die Kinder der HET Gruppe in Sprachtests Ergebnisse im Normbereich erzielten und damit zu Kindern mit von Beginn an altersentsprechender Sprachentwicklung aufschließen konnten. Kindern der Wartegruppe gelang dies nicht (Buschmann & Gertje 2021).
Langfristige Wirksamkeit des HET
Nachuntersuchung am Ende der 9. Klasse
Ziel der Nachuntersuchung am Ende der 9. Klasse ist es herauszufinden, wie sich die ehemaligen Late Talker im Vergleich zur sprachlich altersgerecht entwickelten Gruppe bis ins Jugendalter hinein entwickelt haben. Im Fokus stehen sprachliche und schriftsprachliche Fähigkeiten sowie die Schullaufbahn.
Des Weiteren wird die sozial-emotionale Entwicklung der Kinder erfasst. Ein weiteres Ziel des Projekts ist es, den allgemeinen Entwicklungsverlauf der Kinder längsschnittlich abzubilden und so Hinweise auf Prädiktoren für günstige oder ungünstige Verläufe zu gewinnen.
Dieses Wissen ist von besonderer Bedeutung, um zukünftig fundierte Entscheidungen über den Einsatz von Präventions- und Fördermaßnahmen treffen zu können.
Da derartige Längsschnittstudien zum Verlauf von Kindern mit Sprachentwicklungsverzögerungen bis ins Jugendalter hinein im deutschsprachigen Raum bisher nicht existieren, wird das Projekt einen wichtigen Beitrag leisten, um Aussagen über die Entwicklung von Late Talkers treffen zu können.
Weiterführende Literatur:
Buschmann, A., Jooss, B., Rupp, A., Dockter, S., Blaschtikowitz, H., Heggen, I. & Pietz, J. Children with developmental language delay at 24 months of age: results of a diagnostic work-up. Developmental Medicine & Child Neurology, 2008; 50: 223 – 229. (hier herunterladen)
Buschmann, A., Jooss, B., Pietz, J. Frühe Sprachförderung bei Late Talkers – Effektivität einer strukturierten Elternanleitung. Kinderärztliche Praxis, 2009; 80: 404 – 414. (hier herunterladen)
Buschmann, A., Jooss, B., Pietz, J. Verzögerte Sprachentwicklung bei der U7 – (K)ein Grund zur Sorge?. Der Kinder- und Jugendarzt, 2009; 6: 375 – 379.
Buschmann, A., Jooss, B., Rupp, A., Feldhusen, F., Pietz, J., Philippi, H. Parent-based language intervention for two-year-old children with specific expressive language delay: A randomised controlled trial. Archives of Disease in Childhood, 2009; 94: 110 – 116. (hier herunterladen)
Buschmann, A. Was tun bei verzögerter Sprachentwicklung? Das „Heidelberger Elterntraining“ – ein effektiver Ansatz. In: Hellbrügge, T., Schneeweiß, B. (Hrsg.), Frühe Störungen behandeln – Elternkompetenz stärken. Grundlagen der Frührehabilitation. Stuttgart: Klett-Cotta, 2011.
Buschmann, A. Frühe Sprachförderung bei Late Talkers. Effektivität des Heidelberger Elterntrainings bei rezeptiv-expressiver Sprachentwicklungsverzögerung. Pädiatrische Praxis, 2012; 78: 377 – 389. (hier herunterladen)
Buschmann, A., Neubauer, M. Prädiktoren für den Entwicklungsverlauf spät sprechender Kinder. Sprache-Stimme-Gehör, 2012; 35: 135 – 141. (hier herunterladen)
Buschmann, A. Frühe Sprachförderung bei Late Talkers. Effektivität des Heidelberger Elterntrainings bei rezeptiv-expressiver Sprachentwicklungsverzögerung. Pädiatrische Praxis, 2012; 78: 377 – 389. (hier herunterladen)
Buschmann, A., Ritter, E. „Heidelberger Elterntraining zur frühen Sprachförderung“ in der Praxis. Wie zufrieden sind die Eltern?. Sprache-Stimme-Gehör, 2013; 37: 24 – 29.
Buschmann, A., Multhauf, B., Hasselhorn, M., Pietz, J. Long-term effects of an early parent-based intervention for late talking toddlers. Journal of Early Intervention, 2015; 3: 175 – 189.
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Buschmann, A., Gertje, C. Sprachentwicklung von Late Talkers bis ins Schulalter: Langzeiteffekte einer frühen systematischen Elternanleitung. Logos, 2021; 29(1): 4 – 16.